Erstmals kaufen Deutsche einen englischen Klub
Quelle:
DIE WELT
Nils Nordmann
Zum ersten Mal haben sich deutsche Investoren im englischen Fußball eingekauft. Sie verfolgen hohe Ziele, sogar Guardiola ist Teil ihres Plans. Eines mussten die beiden den Briten jedoch versprechen.
Erst kaufte der Mann sich einen Fußballklub. Dann ging er spazieren.
Bald würde Edin Rahic aus Stuttgart hier wohnen, in der verlebten Arbeiterregion West Yorkshire. Der Investor aus Deutschland war früher angereist als geplant. Die örtliche Zeitung und einige Fans hatten vorab einen Tipp bekommen, dass er zusammen mit seinem Geschäftspartner Stefan Rupp den englischen Drittligaverein Bradford City übernehmen würde.
Anhänger des traditionsreichen Klubs suchten schon eilig die sozialen Netzwerke ab. Wer sind die? "Edin Rahic" und "Stefan Rupp" sind nicht gerade besonders geläufige Namen, nicht einmal im deutschen Fußball. Die Fans trieben trotzdem irgendwo ein grobkörniges Porträt von Rahic auf und teilten es auf Twitter. Alle wussten Bescheid. Rahic musste also ein paar Wochen früher anrücken und ein kurzes Statement herausgeben.
Nun spazierte er durch eine Einkaufsstraße, bis er aus seinen Gedanken gerissen wurde. "Sind Sie der neue Besitzer von Bradford City?", sprach ihn ein junger Mann höflich an. "Wieso fragen Sie?", wunderte sich Rahic. "Ich bin einer Ihrer Spieler", antwortete der Mann. Sogar er kannte das auf Twitter kursierende Bild.
Rahic und Rupp sind die ersten Deutschen, die einen englischen Profiklub gekauft haben. Jedenfalls kann sich im Dachverband der Football League niemand an Deutsche erinnern, die das zuvor schon getan hätten.
Auch Drittligaklubs kosten Millionen
Im Gespräch mit der "Welt" erklären Rahic und Rupp erstmals gemeinsam ihre Pläne. Sie wollen natürlich erfolgreich sein und Geld verdienen. Sie stehen aber auch vor einer gewaltigen Aufgabe. Sie dürfen City nicht völlig verändern, denn der Verein der "Bantams" (deutsch: Zwerghühner) ist einer der integersten Klubs des Landes. Der Klub besitzt herzensgute Fans und Spieler, die nach Siegen das Maskottchen umarmen. Die Menschen in Bradford waren dermaßen aufgewühlt wegen der "Owner from Germany", dass sie auf die Bosse zugingen, noch bevor diese losgelegt hatten.
© Rahic Stefan Rupp (l.) und Edin Rahic schwärmen von der Infrastruktur des Klubs. Ins Stadion kommen im Schnitt 18 000 Zuschauer
Seit einer Woche führt Rahic nun die Geschäfte von Bradford City. In den kommenden Monaten will er das Budget entwerfen und neue Spieler holen. Einer der Vorbesitzer, Julian Rhodes, unterstützt ihn dabei noch übergangsweise. Zusammen mit Rupp hätte er den Vorgängern einen "fairen Preis" gezahlt, aus ihrem gemeinsamen Privatvermögen, erzählt Rahic. Aber auch Drittligaklubs kosten in England Millionenbeträge.
"Für uns ist das aufregend. Das machst du einmal im Leben", sagt Rupp, der 47 Jahre alt ist. Er hat vor einigen Jahren einen Sitzhersteller für Flugzeuge gegründet und dann verkauft. Rahic kennt er über Geschäftskontakte. Der 43-Jährige arbeitete früher bei den Stuttgarter Kickers, erst im Nachwuchs, später im Vorstand. Dann wechselte er zum Technologiekonzern Bosch. Den Traum vom eigenen Verein hatte sich Rahic aber bewahrt, als er die Fußballbranche verließ. Eines Tages musste er einen Mann einstellen und fragte ihn nach dessen Lieblingsklub. Der sagte Bradford City und begann zu erzählen. Rahic war hingerissen.
"Vielleicht sind wir da zu deutsch gewesen"
Zwei Jahre lang hatten sich die beiden auf den Deal vorbereitet. "Vielleicht sind wir da zu deutsch gewesen", sagt Rahic. Beim Bieterkampf mussten sie ein Konglomerat um den ehemaligen Formel-1-Teamchef Flavio Briatore aus dem Rennen werfen. Um sich durchzusetzen, hatten sie ein ungewöhnliches Konzept entworfen, das irgendwann mal großes Geld abwerfen soll. Aus Fernseheinnahmen und Spielerverkäufen sollen die Gewinne kommen. "Es ist auch Business. Je höher du kommst, desto spannender wird es", sagt Rahic. In Zukunft sollen auch die internationalen Bradford-Fans, von denen es einige gibt, von überall her aus Europa kommen, ein Spiel sehen und wieder nach Hause fliegen. Mit den Geschäftsführern des Flughafens in Leeds hat Rahic schon über neue Flugrouten gesprochen.
Er will eine junge Mannschaft entwerfen, die über Jahre zusammenbleibt. Dazu kommen wohl noch ein paar robuste Profis, denn in der Dritten Liga sind 46 Spiele und drei Pokalwettbewerbe durchzustehen. Irgendwann soll auch die Spielanlage der Mannschaft zur Marke werden – modern, aggressiv, mit Gegenpressing. Aber das kommt später.
Die Region zwischen Manchester und Leeds hat es den beiden Investoren besonders angetan. "Dort gibt es erstklassige Akademien", sagt Rahic. Bradford liegt mittendrin. "Unsere Philosophie muss sein, die zweite Linie der Nachwuchsspieler von Manchester City und United zu holen. Es gibt in England kaum geregelte Übergänge von Nachwuchsteams in die ersten Mannschaften", doziert Rahic. City-Trainer Pep Guardiola werde keine Zeit haben, alle Talente in sein Team einzubauen. Gut ausgebildet und hochbegabt sind sie aber trotzdem. "Und genau die müssen wir abschöpfen und ausbilden", erzählt Rahic. "Wir wollen dafür bekannt sein, junge Profis schnell in die erste Mannschaft zu nehmen. Das ist eine große Chance für uns." Rund 5000 Pfund koste so ein Talent von Manchester City im Monat, ein bezahlbarer Preis.
Bradford erlebte einen Stadionunfall mit 56 Toten
Eine deutsch-englische Verbindung im Fußball ist natürlich etwas Besonderes, manchmal triezen sich die beiden Fußballnationen ja gern. Rahic und Rupp haben sich schon ein paar Antworten zurechtgelegt, wenn jemand mit einer geistreichen Bemerkung kommt. "Nein, wir werden nicht zu Bratwurst City werden", sagt Rupp. Aber das mit dem Humor wird vielleicht erst später wichtig, wenn sich alle aneinander gewöhnt haben.
Die zwei Fremden mussten zunächst beruhigen. Besorgten Mitarbeitern haben die beiden erklärt, dass niemand entlassen wird. Unverhofft tauchte plötzlich der Name des deutschen Ex-Fußballers Uwe Rösler auf. Ein neuer Trainer aus Deutschland? Rahic und Rupp mussten versichern, dass sie beim aktuellen Coach Phil Parkinson bleiben wollen, der in der abgelaufenen Saison den Aufstieg nur knapp verpasst hatte. "Wir sind ohne Exit-Plan eingestiegen und wollen hier etwas aufbauen und bewegen", beteuert Rupp.
Sein Partner Rahic stellte sich deswegen auch einmal vor das Stadion und sprach die Leute mutig an: "Ich fragte einen Fan: 'Was machst du für den Klub? Kaufst du eine Dauerkarte? Wir brauchen dich'." Rahic wird selbst in die Region ziehen, seine Frau und Kinder sollen nachkommen. Die Deutschen dürfen den Stadtbewohnern ihren Klub nicht entreißen, sonst hätten sie keine Chance in Bradford. Das wissen sie. Die Jerseys werden zur kommenden Saison diagonale Streifen haben. Sie erinnern an die historischen Trikotsätze der Vereins – ein kleines Zeichen an die Anhänger, die selbst sehr aktiv sind.
Selbst in der Dritten Liga kommen im Schnitt 18.000 Zuschauer ins Stadion namens Valley Parade. Bradfords Fans hatten vor einigen Jahren die steigenden Ticketpreise im englischen Profifußball moniert. Die Kosten für Saisontickets hat der Verein deswegen bei rund 150 Pfund eingefroren. Auch das wollen die zwei Deutschen nicht ändern.
Die "Bantams" haben viel durchgemacht. 1985 passierte in Bradford einer der größten Stadionunfälle in der Geschichte des englischen Fußballs. Ein Gast hatte seine Zigarette unglücklich fallen lassen, die Holztribüne fing Feuer und brannte innerhalb weniger Minuten nieder. 56 Menschen kamen ums Leben, 265 wurden verletzt. "Es besteht eine tiefe Verbindung zwischen Fans und Klub", bestätigt auch Rahic.
Mit Klubübernahmen haben sich viele übernommen
2013 kämpfte sich Bradford City ins Finale des Ligapokals, 2015 besiegte es den späteren Meister Chelsea London im FA-Cup 4:2. Trotzdem haben sie in Bradford nicht vergessen, dass sie von ganz unten kommen. Zweimal hat der Verein schon Insolvenz angemeldet. Nachdem er 1999 aus der Premier League abgestiegen war, mussten die Vorbesitzer den Klub mühsam auf gesunde Beine stellen.
Mit Besitzerwechseln und Investorenmodellen haben sich in England schon manche schwer vertan. Der FC Portsmouth wirtschaftete sich innerhalb weniger Jahre in die vierte Liga herunter. Die eitlen Neueigentümer von Cardiff City änderten bei Amtsantritt gleich die Klubfarbe von Blau in Rot. "Wir gehen diese Dinge lieber nüchtern und konservativ an", sagt Rupp. Einige Wirtschaftsexperten vermuten, dass sich bei Klubübernahmen tatsächlich gerade etwas verändert. Rahic und Rupp gehören zu einer neuen Generation von Anlegern, die wissen, dass englische Sportteams nachhaltig profitabel sein werden. "Es ist ein extrem wachsender Markt, er ist konjunkturunabhängig und hat Generationen von 'Stammkunden'. Wo gibt es denn so etwas noch?", sagt Rahic.
"Wenn wir jetzt noch unternehmerisches Know-how einbringen, können wir Richtung zweite Liga denken", sagt er: "Es wird Höhen und Tiefen geben. Wir müssen auch irgendwann mal Entscheidungen treffen, die den Leuten nicht so gut gefallen. Aber wir haben eine langfristig angelegte Strategie." Und wenn Fußballklischees bedient werden, kann das wohl als Zeichen gelten, dass die beiden Deutschen erfolgreich arbeiten. Eines Tages, wenn Englands wortgewandter Ex-Nationalspieler Gary Lineker mal wieder seinen eigenen Spruch zitiert, meint er vielleicht auch mal Edin Rahic und Stefan Rupp. "... Am Ende gewinnen immer die Deutschen."