Falls der Link nicht funktioniert, hier das Geschichtchen.
@Hannes, passt hier nicht hin, kannst du gerne in die Literaturecke verschieben. ;=))
Pommes Blau-Schwarz
Plötzlich stand er da. Direkt neben mir, wie aus dem Boden gewachsen. Dunkler Anzug, weißes Hemd, passende Krawatte. Teller in der Hand. Darauf bunte Salate, Shrimps. Luftiges Dressing. Der Fitness-Teller für sechs Euro. Sah lecker aus.
"Und, was machen Ihre Rot-Weißen?" fragte er.
Er blickte mich geradeaus an. Mit offenem Blick, hinter dem man nichts Böses vermuten konnte. Lächelte freundlich. Ich stand in der Schlange, die mich quer durch die Kantine zur Essenausgabe führte. Sozialgericht, wie wir das preiswerteste Angebot der Kantine spaßhaft bezeichneten, für nur zweifünfundneunzig, der Teller randvoll, Nachschlag erlaubt. Das lockte speziell heute, da es Currywurst mit Pommes gab.
Meine Rot-Weißen? Wahrscheinlich hatte ich ihn angesehen wie ein Ochse wenn es blitzt, als ich seine Frage hörte und überlegte, ob er mich veräppeln wolle.
Die Rot-Weißen? Das sind doch Bayern München & Co., dachte ich. Die Großen dieser Welt. Die Vornehmen mit den Millionenkickern, mit den Business-Lounges oder wie die Räume heißen, in denen der Champagner aus Schalen geschlürft und die Nussecke mit Messer und Gabel gegessen wird, während man so ganz nebenbei ein wenig Fußball guckt.
"Nein, meine sind die Blau-Schwarzen" antwortete ich emotional, "die Mittellosen, die nichts an den Füßen haben. Pleite sind. Kein Stadion haben, kein Vereinsheim und ihre Heimspiele irgendwo in der Prärie austragen müssen. Denen nur zwei Säcke mit Bällen gehören."
Mir war sofort bewusst, dass ich zu dick aufgetragen hatte, aber das hatte raus gemusst! Und es hatte gut getan!
Er lachte. "Kenne ich, meine Rot-Weißen dümpeln doch auch seit Jahren rum, ohne richtig auf die Beine zu kommen. Taumeln von einer Pleite in die nächste. Sportlich und wirtschaftlich. Wir spielen nicht in der Liga, in die wir meiner Meinung nach gehören. Na ja, wenigstens haben wir unser Stadion jetzt fertig."
Ich drehte mich um, sah seine Krawattennadel, die ich vorhin nicht bemerkt hatte. RWE, Rot Weiß Essen. Ein Club mit Tradition und schwieriger Gegenwart. Plötzlich wurde mir klar, warum er in mein Lamento eingefallen war.
"Ich bleibe Blau-Schwarz, ein Leben lang. Mit Stolz und unbeugsamer Liebe zum Verein" antwortete ich augenzwinkernd, die Hand theatralisch aufs Herz gelegt.
"Und auf die Pommes? Was drauf?" wollte die Frau an der Ausgabe wissen.
Vor lauter Fußballgespräche hatte ich nicht bemerkt, dass ich mittlerweile an der Essenausgabe angekommen war.
"Ketchup und Majo bitte", antwortete ich.
"Rut un Wiess, dat is joot, su wie unser Effzeh!" Sie lachte laut.
Oh, nein! Geht das schon wieder los!
Copyright, Jürgen Gebhardt
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