Frank Goosen, Schriftsteller, Kabarettist und Bochum-Fan schreibt einen schönen Urlaubsbericht:
Wie zu Hause!
12.Juli 2013
Es ist doch immer wieder schön, wenn man sich auch in der Fremde wie zu Hause fühlt, gerade beim Fußball. Ich bin kein echter Groundhopper, nutze aber auch im Urlaub gern die Gelegenheit, fremde Stadien kennenzulernen. Im Osterurlaub war Alicante in Südspanien dran, wohin es Freunde von uns beruflich verschlagen hat. Der örtliche Club heißt „Hercules“, kickte bei unserem letzten Besuch noch in der Primera Division und musste dann den bitteren Gang in die Zweitklassigkeit gehen, nahm also eine ähnliche Entwicklung wie der größere der beiden Vereine, für die in Bochum mein Herz schlägt.
Ostersonntag mache ich mich also mit dem Thronfolger und dem Zweitgeborenen sowie Francisco, unserem Mann in Spanien, und dessen Sohn Ruben auf den Weg ins Estadio Jose Rico Perez. Erst im Auto hole ich Informationen über die aktuelle Situation von Hercules ein und bekomme zur Antwort, man kämpfe aktuell gegen den Abstieg aus der Zweiten Liga. Na prima, denke ich, da fliegst du einmal diagonal durch Europa und hast gleichen Mist vor der Brust wie zu Hause.
Auf den letzten Metern zu der herrlich unansehnlichen, also eher traditionellen Arena fallen mir vier hohe Pinne rund ums Stadion auf. Francisco teilt mir mit, dass auf diesen Dingern bis vor ein paar Wochen das Flutlicht montiert war, bis eines Nachts eine Batterie Lichter einfach heruntergefallen sei. Daraufhin habe man die anderen drei vorsichtshalber ebenfalls demontiert und könne nun eben nur tagsüber spielen. Ruben zieht eine Augenbraue hoch und meint: „So ist das hier auf dem Balkan!“
Vom Gegner des heutigen Spiels, der Sociedad Deportiva Ponferradina, habe ich vorher noch nie gehört. Mein spanischer Gewährsmann versichert mir jedoch, dass man es hier mit lupeneinem Hurensöhnen zu tun habe. Im Laufe der ersten Halbzeit kann ich mich selbst davon überzeugen, die gegnerischen Spieler liegen nämlich schon am Boden, wenn man sie nur scharf ansieht. Leider fällt der Referee viel zu oft darauf herein. Folgerichtig geht die Schauspielertruppe aus dem Norden Spaniens eins zu null in Führung.
In der zweiten Halbzeit geht das mit der Bodenliegerei munter weiter, bis einem älteren Spanier hinter uns der Kragen platzt und er aufs Feld brüllt: „Pegale un tiro, para que non suffra!“ Was so viel heißt wie: „Erschießt ihn, damit er nicht leiden muss!“
Hercules Alicante gelingt dann tatsächlich der Ausgleich, doch werden zwei Spieler des Feldes verwiesen, der eine wegen Meckerns, der andere wegen wiederholten Foulspiels. Die Heimmannschaft muss dieses Spiel unbedingt gewinnen, um eine Chance zu haben, noch von den Abstiegsplätzen wegzukommen, hat aber in den letzten zwanzig Minuten zwei Mann weniger! Trotzdem spielt man nach vorne, und das Wunder geschieht: In der dritten Minute der auf drei Minuten angesetzten Nachspielzeit holt der Stürmer einen Elfmeter heraus! Die Dramatik ist kaum noch zu überbieten. Der Schütze läuft an – und versemmelt! Der Schiri pfeift ab!
Tja, und das fühlt sich dann doch ziemlich nach zu Hause an.