Schwieriges Thema! Man kann nicht alles haben!
Gut wäre, wenn diese sinnlosen Spiele gegen Andorra, Island etc. wegfielen; gut wäre, wenn diese viel zu vielen Qualispiele zur WM und EM wegfallen täten; gut wäre, wenn die Ligen von ihren Dauersiegern befreit würden, meinetwegen eine EU-Liga über allem, mit 16 Mannschaften, Auf- und Abstieg, irgendwie geregelt, denn diese Überflieger tun den Ligen auf Dauer nicht gut; dem Knalla täte das nix verhageln, der täte sich dann mehr für die entschlackte Bundesliga interessieren als für die Jetlagliga der Vielflieger zwischen Machatschkala und Piräus.
Die Veralltäglichung bis hin zum Verdruß ist doch schon längst eingetreten; der anregend-aufregende Reiz des Neuen dürfte vor allem bei jüngeren Jahrgänge auftreten, die naturgemäß das Frühere garnicht erlebt haben und den durchrationalisierten Betrieb noch nicht lange genug kennen.
Man selbst als Knalla hält es mittlerweile z.B. mit dem internationalen Fußball im TV wie mit in Endlosschleife totwiederholten Tatörtern und Kinoklassikern: ignorieren, schönessengehen, schmökern, sportmachen, kochen, aufräumen, putzen, radfahren, musikhören, netzsurfen, briefeschreiben, inFamiliemachen, freundetreffen, Feld, Wald Wiese, Verwandtschaft, Museum, Hobbies, Ausstellung, rumwerkeln, es gibt Unmassen von interessanten Sächelchen, die nix mit Fussi zu tun haben. Und ziemlich spät knipst man dann den Empfänger mal an und guckt in diese Grottenkicks rein, meistens stellt man dann fest: man hat nix verpaßt.
Auch auf die WM freut man sich nur noch selektiv: die Vorrundenspiele sind meistens banane, wer seit 1962 WMs geguckt hat, weiß, daß es immer weniger geworden ist, weil es immer mehr geworden sind. Man guckt so richtig nur noch hin ab dem Viertelfinale, wahrscheinlich erfahrungsbedingt, vielleicht ist bei Jüngeren die Geduld noch größer mit diesem Geröll. Motto: Masse statt Klasse. Wobei die Tendenz klar ist: die Professionalisierung hat auch die Chefetagen erfaßt, der Betriebswirt herrscht. Und dient der Funktionärskaste, die Luxus sehen will. Und zwar steigend, und die Levels überall immer weiter nach oben schieben läßt.
Wie in der übrigen Gesellschaft, früher ging es in die Sommerfrische ins Sauerland, heute mit dem Brett in die Karibik. Vom VW-Käfer hin zur flächendeckenden Benz-, Audi und BMW-Bestückung der Parkdecks. Vom Wählscheibenungetüm zum Smartphon, and so on, auch im Fussi, und wie irgendwann dann bei Kaviar-Häppchen in der VIP-Lounge sogar bei Real gegen Manu gegähnt wird, rundum. Diese Hochzüchtung erfaßt alles, hat was von Entropie, Wärmetod durch zu starke Verdichtung, sprich Endlosveredelung, Hochtreiben der Komplexität, des Angebots, des Merchandising, der Sicherheit, der Baulichkeit, der Bequemlichkeit, der Wissenschaftlichkeit: alle trainieren wie alle, alle können alles, was alle können, und in zwanzig Jahren spielen alle gegen alle immer null zu null, schade drum. Das scheint aber die Logik des Kapitals, der Rationalisierung, des Marktwesens zu sein, zumal unter den Bedingungen von Wissen, Technik, Spezialistentum, Konstruktion, der obere Teil des Fußballwesens ist in die Finger der "Börsianer" geraten und dann geht das so ab, wie es derzeit abgeht, jede Möglichkeit zur Aufnordung, Maximierung, Ausschöpfung wird da gnadenlos durchgezogen.
Man kann gespannt sein, was die Braintrusts rund um die FIFA, UEFA, Olympia etc. sich noch alles einfallen lassen werden. Motto: "Die Liga ist da, wo Du bist" (sprich: Dein Konto). Kannze nix mache, datt Pony wird jetzt geritten, bis die Rippen knacken, man kennt ja seine Papenheimer. Als Hauptindiz kann gelten, daß, wie in der "Politik", mittlerweile auch im "Sport" in erster Linie von Geld die Rede ist, fast schon sowas wie ein Epochenschicksal, um es mal ganz oben aufzuhängen: bet and win...
Das Üble dabei ist freilich, daß als Preis für eine solche "Entwicklung", je länger desto mehr, die totale Reduktion fällig ist: als einziger "Wert" bleibt dann der Geld- bzw. Markt-Wert übrig, alle anderen werden diesem einen mächtigsten untergeordnet, was beim Sport freilich dem Wegfall der Geschäftsgrundlage gleichkäme, denn der soll ja aus der Tretmühle der Arbeitswelt ins Spielerische der Freizeitgestaltung führen. Der moderne Fussi ist dabei, zur Fortsetzung des Erwerbslebens mit anderen Mitteln zu werden, ein Entertainmentkombinat, das Produzenten wie Konsumenten gleichermaßen verschluckt und zunehmend zu Getriebenen macht, die sich meilenweit von dem entfernt haben, worum es urspünglich ging: spielen mit dem Ball.